Er schreibt die ersten Gedichte schon während des Studiums, die er lange niemandem zeigt. Er schreibt ganz für sich, eine Maxime des Schreibens, die ihn bis heute begleitet. Nur wenigen Menschen vertraut er schließlich seine lyrischen Versuche an, findet positive Resonanz. Die allermeisten schlummern jedoch bis heute ungelesen in einer Schublade, zurecht ungelesen, wie er meint, weil sie „nur Anfänge des Schaffens“ sind.
Dann kommt der Bruch wegen des Berufes. Es ist die Psychiatrie, die sehr zeitaufwendig ist und sehr viel Verantwortung verlangt.
Für seine Prosa gibt es keinen „Auslöser“. Er liest nicht etwas, wo er sich sagt „So will ich schreiben“ oder „Das kann ich auch“. Er beginnt einfach zu schreiben.
Er bemerkt, dass der Spitalsbetrieb ihm nicht die Zeit und die Energie lässt, um zu schreiben und eine Geschichte wachsen zu lassen. Sehr lange Schichten gehören zum Alltag.
Er braucht mehr Zeit. Im Vollbetrieb ist Schreiben nicht möglich. Auch er stellt sich der Frage, was er für sein Schreiben, sein Erzählen bereit ist zu opfern. Es sind also nicht die bescheidenen Anfänge, aus denen er sich heraufarbeitet, sondern er hat einen wichtigen und angesehenen Beruf mit angemessener Bezahlung.
Er nimmt eine vorübergehende Senkung seines Einkommens hin, schränkt seine Dienste ein und wird schließlich Kassenarzt für Psychiatrie. Nicht zuletzt deshalb, weil er so jenen helfen kann, die sich eine Behandlung beim Wahlarzt nicht leisten können. Er schreibt in seiner Freizeit, kann man sagen, aber er hat sich bewusst Zeit frei gemacht, auch wenn das für einige Monate einen Einkommensverlust bedeutete.
Hirsch schreibt in der Regel 2 Stunden pro Tag. Er achtet darauf, an einem Punkt aufzuhören, an dem er beim nächsten Mal weiter arbeiten kann. Außerdem lässt er das Schreiben nicht ausfallen. Er beschreibt seine Methode folgendermaßen: „Ich höre auf zu schreiben, solange ich weiß, wie es weitergeht“. Er schreibt also nicht auf einen Punkt hin, an dem er nicht mehr weiter weiß, sondern kann fortsetzen, sobald er sich wieder an die Arbeit macht.
Wie entstehen seine Erzählungen?
Er mache sich kaum Notizen, erhalte seine Inspiration aus den vielen Geschichten, die ihm das Leben biete und aus denen dann eine Geschichte entstehe. Es gäbe immer ein „Urbild“, das ihn fessle. Bei der „Witfrau“ war es der Anblick einer Witwe auf einem Friedhof.
Diese Geschichten entstehen, weil er vor allem für sich selbst schreibt. Er müsse sich selbst das Leben seiner Hauptfiguren erzählen, im Schreiben herausfinden, wer sie sind und welche Erfahrungen sie prägten. Niemand dürfe seine Texte lesen, solange diese im Entstehen sind. Auch den Schriftstellerzirkel, in dem man sich gegenseitig seine Werke vorliest, gibt es nicht.
Erspart er sich auf diese Weise nicht auch die jähe Enttäuschung, wenn ein Roman, der von Freunden gefeiert wird, bei Lesern weniger Anklang findet? Oder die taktvolle Zurückhaltung bei der Beurteilung der Bücher von Kollegen, um nicht zu kränken oder seinerseits gekränkt zu werden?
Seine Leser findet Markus J. Hirsch dort, wo er lebt und arbeitet. Es ist zum Beispiel ein achtzigjähriges Ehepaar aus seinem Bekanntenkreis, die seinen ersten Roman „Der Ex-Mensch“ gelesen hatten und auf eine ihnen unbekannte Welt stießen, die sie faszinierte.
So ist eine Werkgruppe entstanden, die er seine Wirtshaustrilogie nennt. Sie besteht aus den Romanen „Der Ex-Mensch“, „Die Witfrau“ und dem Abschluss „Das karge Mädchen“.
Als Sohn einer Familie von Wirtsleuten aufzuwachsen brachte in Österreich den Karikaturisten Manfred Deix, der einen Blick für das Groteske entwickelte, oder eben Markus J. Hirsch hervor, der den Enblick in das Seelenleben seiner Mitmenschen sucht.
Seinen Beruf als Psychiater liebt er und folgt dem Ansatz, Lösungen und Linderung für die Beschwerden seiner Patienten zu finden, statt deren psychische Probleme zu katalogisieren.
Als Psychiater ist er mit dem Missverständnis konfrontiert, dass er Therapien durchführe im Sinne von Sigmund Freud. Doch als Psychiater geht es hauptsächlich darum, mit Medikamenten zu helfen und für jeden einzelnen Patienten eine Kombination von Wirkstoffen zu finden, die hilft, sei es im Fall einer Krise oder als dauernde Therapie. Er hat jedoch auch eine zusätzliche Ausbildung zum Therapeuten gemacht, um seine Patienten besser zu verstehen.
Die Eindrücke der Psychiatrie finden sich auch in seinen Büchern wieder. Am Eindringlichsten in „Katatonie“, das das Wesen der Akutpsychiatrie aus der Sicht einer Patientin schildert. Oder in der Suche nach dem nie existenten Vater in dem verzweifelten „Gethsemane“. In „Parallelen“ schließlich stellt er sich, geprägt durch Krankheitsfälle in der eigenen engsten Familie, der Ohnmacht, das Sterben geliebter Menschen mitansehen zu müssen…
Markus J. Hirsch hat sich seine private Umgebung geschaffen, in der er sich erholen kann. Da gibt es die zweihundert Jahre alte Linde, einen Teich, mehrere Katzen und eine Herde von lautstarken Laufenten.
Mit seinem letzten, noch unveröffentlichten Werk geht er einen anderen Weg: Es ist eine phantastische Erzählung, in der neben unserer „normalen“ Welt, eine andere existiert, die den Mythen entspringt.